Über den Podcast „Geisterjäger“ (SWR, 2024)

Geist unter Lupe
Podcast-Besprechung „Geisterjäger“ (SWR 2024)

Mystery hyped, ganz ähnlich wie True Crime. Und obwohl ich weder das eine noch das andere suche, scheint eine übernatürliche Kraft dafür gesorgt zu haben, dass ich auf einmal Folge 1 der Geisterjäger höre. Oder wars die ganz unmysteriöse mich weichkochende Heavy-Rotation in den ARD-Podcast-Crosspromos?

Dass nach dem Poltergeist von Rosenheim noch weitere sechs Teile folgten und dass die in nur zwei längeren Autofahrten komplett weggebinged waren, das lag nicht an übernatürlichen Phänomenen, sondern am geerdetem Storytelling der Serie. Was da meiner Meinung nach gut funktioniert hat und was zumindest gut versucht worden ist, darum geht’s hier.

Auf der Suche nach dem rauchenden Gespenstercolt

Verena Fiebiger, Psychologiepodcasterin (Die Lösung) hat da etwas, was sie sich nicht erklären kann. Wahrträume. Eine übernatürliche Verbindung zu nahen Menschen, quer durch Raum und Zeit? Ob es so etwas wohl wirklich gibt? Joa…vielleicht. In jedem Fall bietet die Überlegung einen starken Einstieg, um die Host besser einzubinden, als das in vielen anderen Produktionen geschieht. Dort nämlich, wo sich deren Rolle im Fragenstellen und Stichwortgeben erschöpft. Verena Fiebiger hat also eine Haltung zum und Aktien im Spuk-Thema. Und jenseits der einzelnen Folgenfragen (hat es in Rosenheim tatsächlich gespukt, haben die Russen im kalten Krieg ein amerikanisches U-Boot mit der Kraft der Gedanken versenkt?) zieht hier die horizontal-weitergeführte Frage: Werden wir hinterher ein wenig weniger an Übernatürliches glauben oder doch gar ein wenig mehr?

Paranormale Phänomene und geerdetes Storytelling

Gut für Geschichten, wenn sie mit einem auslösenden Ereignis beginnen dürfen. Gut, dass es da in fünf der sieben Folgen einen Spuk gibt. Der aktiviert jeweils Bender und dann direkt die Erzählung. Die Originaltöne von Hans Bender und Snippets aus damaliger Berichterstattung helfen beim Eintauchen in die Geisterjäger-Rolle. Interviews mit Zeitzeugen erweitern die Perspektiven auf die Frage: wie schlüssig wird hier mit den Mitteln des Rationalen das anscheinend Irrationale eingekreist. Nach Folge zwei wird klar: Es geht auch und eigentlich um die Frage der Glaubwürdigkeit und die der Gläubigkeit. Der Wissenschaftler Bender unterliegt einer parapsychologischen déformation professionelle: Er will am liebsten den Spuk beweisen und läßt sich dadurch erkenntnistheoretisch weit aufs offene Wasser heraustreiben. Doch immer dann, wenn es gerade allzu schlecht für Bender aussieht, er in puncto confirmation bias überführt scheint, steuert der Podcast gegen. Aus diesem Spuk-Hypothesen-Pendeln zwischen „könnte sein“ und „eher doch nicht“ gewinnt die Serie ihren Vortrieb. Das gelingt häufig gut, an ein zwei bis drei Stellen merke ich dann doch, dass mir die Autoren etwas ungelenk diesen parapsychologischen Perspektivwechsel unterjubeln. Da ist dann in der Mitte der Show eine Bender-Volte zu viel.

Dem Übernatürlichen mit rationalem Besteck und kritischem Geist beikommen

Meine Lieblingsfolge ist die, in der die Macher:innen Hans Benders Tochter treffen. Mit ihr lernen wir eine ganz neue Seite von Hans Bender kennen: die des nationalsozialistischen Opportunisten. Parapsychologie als Wunderwaffe im Dienste des dritten Reiches. Der Podcast twisted hier von launig-unterhaltsam auf geschichtlich-relevant. Was treibt diesen schillernden Bender wirklich an und wie weit ist er bereit zu gehen? Als factual Storyteller:in solltest du den Mut haben, etwas nicht sofort zu verraten, bzw. später zu erzählen. Spannende Frage, ob dieser handwerkliche move, den Twist genau hier zu platzieren, in dem Fall überdehnt, nachdem ich volle fünf Folgen mit dem netten Hans bonden durfte. Hier würde mich sehr interessieren, wie andere Podcasthörer:innen das wahrnehmen.

Spoiler-Alarm: Anfangs-These und End-These unterscheiden sich nicht

Geisterjäger habe ich in fünf Blöcken gehört. Kein einziges Mal habe ich am Ende einer Folge gestoppt. Vielleicht liegt es an den exzellenten Cliffhangern, die genau so viel von der nächsten Folge versprechen und verraten, dass die sofort gehört werden musste. Und vermutlich liegt es auch an den dazu passenden guten Einstiegen. Am Ende faded der Podcast leider einfach aus. Verena Fiebiger und ich, wir sind da zum Schluss, was die Haltung zum Paranormalen betrifft, ziemlich genau dort, wo wir gestartet sind. Ist das sehr schlimm? Eigentlich nicht. Weil die Reise unterhaltsam war. Der Spuk-Weg ist das Story-Ziel.