Als wir am späten Morgen aufbrechen, von Darbitz Richtung Stralsund, schiebt der Westwind uns vorwärts und die Regenwolken beiseite. Ob das schon die Metapher für 2023 ist? Nee. Auf keinen Fall. Dann eher schon das Motto, was Martina uns per Aufkleber mit auf die Reise gegeben hat: Life is a ride. Ergänzend gilt: „and sometimes a bumpy road“.
Hügel, Gegenwind, Strampeln bis in die Abendstunden, auch das gabs, auf unserer Ostseeradtour wie auch in diesem Jahr 2023.

Aber wie soll das auch anders sein, wenn ein neues Formatbaby geboren wird. Wenn die Familie dafür zeitweise getrennt wird. Wenn die Fortbildung zum Trainer ansteht und gleichzeitig die ersten Dozenten-Facilitator-Engagements starten. Wenn die eigene Homepage online gehen soll und nicht nur Storytelling-Skills, sondern auch die eigenen Kraul-Fähigkeiten im Schwimmverein aufs nächste Level gehoben werden sollen.

Die größte Schwierigkeit bei all dem für mich: Auch mal mit dem zufrieden sein, was ist.

Vielleicht hilft dabei dieser Jahresrückblick: Ziele anschauen und sehen, was draus geworden ist. Ganz sicher hat mir dabei geholfen, meine Bagel-Momente in 2023, aber der Reihe nach…

Schmidts Bagel, Hamburg. Blick aufs Schaufenster.
Schmidts Bagel, Hamburg.


Neues Zuhause auf Zeit

Die Hudtwalcker Str., kurz vor acht. Ein Strom von Autos, Bussen, LKW, Schulkindern mit Eltern, Radfahrer:innen, Menschen mit Mützen und Schals und hochgestelltem Jackenkragen. Alle sind auf dem Weg. Ich auch. Nur jetzt gerade nicht. Direkt gegenüber meiner Wohnung startet mein Tag in guter Routine bei Schmidts Bagel. Für einen kurzen Zeitraum bin ich da Stammgast, bekomme meinen Café Creme und meinen Zwiebel-Bagel mit Frischkäse, fast ohne Worte. Drumherum Sturm, ein paar Minuten, im Auge des Bagel verschnaufen und das eigene Leben betrachten. Es gibt auch Vollkornbagel, die lass ich mir einpacken. Sie sind meine ballaststoffreichen Rettungsringe für die manchmal langen und anstrengenden Tage bei 11KM.

Der Stehtresen am Fenster ist mein Platz. Bevor Bagel und Café kommen, ist Zeit, mal kurz den letzten Tag zu sortieren und das was eben nun kommen mag. Ohne diese Bagel-Reflexionsroutine wärs vermutlich schwer geworden. Und ohne die, hätte ich jetzt vielleicht zu wenig Mut, diese Draufsicht aufs ganze Jahr auszudehnen. Mal schauen…

Nullwinddrachen vor Planetarium, Hamburg, Stadtpark
Nullwinddrachen vor Planetarium, Hamburg, Stadtpark

Rückblick auf meine Ziele für 2023

Das Drama mit den Zielen. Ganz ohne – da bin ich mir sicher – geht’s nicht. Doch sobald Ziele im Spiel sind, muss ich auch übers Verfehlen und Scheitern sprechen. Unangenehm.

Oder es kommt heraus, dass Ziele komplett aus dem Augen geraten sind.

Hier sind meine, die ich Anfang des Jahres – übrigens bei nem Bagel – sortiere und priorisiere.

  • Ziel 1: Ineko-Ausbildung zum Trainer – bestehen
  • Ziel 2: Medienkonsum in der Familie – weniger streiten, Regeln etablieren
  • Ziel 3: Workshops zu Storytelling – konzipieren, pitchen und geben
  • Ziel 4: Regelmäßig Kraulen – und Schwimmkurs besuchen um Technik zu verfeinern
  • Ziel 5: BeingGelassener und zufriedener aufs eigene Tun blicken und auch einfach mal Sein dürfen
  • Ziel 6: Tagesschau-Podcast – Mit 11KM erfolgreich sein

Auf die Plätze, fertig, Gong: Der Start ins Jahr mit 11KM

Nach wochenlangem Probieren, Rödeln und Produzieren steht sie, die erste Folge unseres neuen BR-NDR-ARD-Babies. Und dann, GONG, ist es soweit. Am 08.01., kurz nach acht, wird auf unsere allererste Geschichte geteast (die über Milliardenverschwendung bei PCR-Tests). Und zwar in der Tagesschau höchst selbst.

Bildschirmaufnahme Tagesschau, Constantin Schreiber, 11KM der tagesschaupodcast
Constantin Schreiber teast auf unsere #0001

Mr. Schreiber macht ne Staupause, hebt seine rechte Augenbraue und sagt es: “11 KM, der tagesschaupodcast”. For real. 🙂 Stressig ist die Zeit trotzdem. Großer Publikationsdruck, noch kein eingespieltes Team, dafür jede Menge Motivation, täglich relevante Geschichten faktenbasiert zu erzählen.

Vor ein paar Wochen erst, hatten wir uns dazu in Hamburg getroffen. Komplett frisches Team um ein komplett neues Format aus der Taufe zu heben (Knister-Stimmung).

Factual Storytelling, aktuell und mit Reichweite. Der Anspruch: So relevant und gut erzählt und sticky werden, wie das große Vorbild The Daily längst ist. Und vielleicht irgendwann dann auch so intensiv und ähnlich erfolgreich… Im Januar brummt uns jedenfalls erst einmal ordentlich der Kopf und bei fünf Folgen pro Woche habe ich das Gefühl, dass meine Kräfte langsam schwinden.

11KM-Redaktion, Fotoshooting, Hamburg
11KM Konzeptions- und Findungs-Workshop, Hamburg, Jungfernstieg.

Fortbildung als Workation: Drei Tage INEKO-Kurzurlaub

Mitten in der Phase der langen und herausfordernden Tage sitze ich an einem Donnerstagabend im Zug und bin glücklich. Und da obwohl das ganze Wochenende voll ist mit Fortbildung.

Im Frühjahr 2022 hatte ich meine Fortbildung zum Trainer begonnen. Jetzt stehen drei Tage an, Freitag bis Sonntag. Workshops und Trainings kann ja prinzipiell jeder geben. Doch wie kann ich einer Gruppe und jeder und jedem einzelnen die Chance zu geben, nach den eigenen Möglichkeiten zu wachsen? Wie funktionieren Workshops, in den die TN maximal Erfahrungen sammeln, Kompetenz erleben, ihre eigenen Probleme?

In den ersten Sessions haben wir gelernt, wie Auftragsklärung geht und worauf es bei der Konzeption ankommt. Dann kamen „Digitale Trainings“ , die „Methodenwerkstatt“ und „Präsentationstechniken und Visualisierung“. Das ganze Konzept, die Gruppe, die Dynamik, das war einfach großartig. Das Prinzip: Ressourcenbasiertes Lernen, angstfrei (siehe Amy Edmondson) und immer mit diesem entkrampfenden growth-mindset-Ansatz (siehe Carol Dweck).

INEKO-Training mit Fadja Ehlail, Köln
Ineko-Train-The-Trainer-Seminar, Köln, mit Fadja Ehlail und Tobias Zahlmann

Die Herausforderung zu dem Zeitpunkt: Den Stoff aus vielen Monaten so organisieren, dass möglichst viel davon im Kopf bleibt und in die Abschlussprüfung einfließt.

INEKO-Seminarraum mit Stellwand, Agenda, Methoden
Strukturiert, abwechslungsreich, freudvoll: Learning by watching and doing.

Take-off: Der erste eigene Workshop zu Factual Storytelling in der Akademie für Publizistik

Geschichten erzählen, das kann ganz leicht sein. Dokumentarisches Erzählen, dass journalistischen Kriterien gehorcht, ist es leider selten. Es gibt Strukturen die unterstützen, nützliche tools. Erfahrung hilft, austauschen ist unerlässlich. An einem Montagmorgen treffen sich in Hamburg neun Personen, die für zwei Tage genau das machen möchten: lernen wie Erzählen geht. So klein die Gruppe, so groß die Intensität. Ein Jahr zuvor hatte ich den Workshop gepitcht um gemeinsam mit anderen, über die Grundlagen von Storytelling zu reflektieren und Wege zu finden, komplexe Stoffe zu guten Geschichten zu formen. Danke an eine mutige, aufgeschlossene und großartige Gruppe. Danke an die Akademie für Publizistik für den in jederlei Hinsicht perfekten Support. Wie schön, dass es in 2024 weiter geht.


Und wie großartig, dass ich seit Oktober auch genau diesem Bereich mit und für die ARD.ZDF-medienakademie arbeiten darf. 🙂

Flipchart, Willkommen, Storytelling
Storytelling-Seminar: Wir sind auf dem Weg.

Radfahren in Brombeerzeiten: Unsere Ostseeradweg-Lastenrad-Tandem-Zelt-Tour

Selten fühlte sich ein Urlaub so verdient an. Die ausgeliehenen Lastenrad-Tandems aufs Auto geschnallt fahren wir nach Lübeck. Dort soll unsere Tour starten. Doch leider kommt erstmal ein Sturmtief. Die ersten zwei Nächte dürfen wir uns bei unserem Freund Karsten verkriechen (Danke!). Dann geh’ts endlich los.

Pritzwald Naturcamping, Rügen
Pritzwald Naturcamping, Rügen, mit Melanie und Hase Pino.

Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund. Dann Rügen. Strampeln, rollen, kochen, essen, streiten, lachen, lesen, schlafen. Beim Zelten ist Familie intensiver. Beim Radfahren auch. In der Kombination fühlen sich zwei Tage manchmal an wie drei. Weniger elektronische Ablenkung, mehr Gespräche. Das haben wir alle so dringend gebraucht.

Auf der Radtour waren fast alle Begegnungen toll. Wir haben wunderbare Familien kennengelernt und Nummern ausgetauscht. (z.B. am Vorabend dort, wo das Foto oberhalb entstanden ist, in einer kleinen Hütte, außerhalb des rechten Bildrands), wir hatten meistens den Wind im Rücken und die Sonne Gesicht. Ostsee: wir sehen uns wieder.

Ostseeradtour, Deich, Lastentenadems, Hase Pino.
Ostseeradtour. Deichfahrt mit , Lastentenadems von Hase Pino.
Ostseeradtour mit Theo, Josi, Melanie, Hase-Pinos
Ostseeradtour mit Theo, Josi, Melanie, Hase-Pinos

Sorgen²

Neon-Schriftzug a mentsh is a mentsh
Neon-Schriftzug a mentsh is a mentsh

Der Krieg gegen die Ukraine, der Terrorakt der Hamas-Kämpfer, der Krieg in Gaza. Das alles passiert in diesem 2023. Wenn wir mit den Kindern Tagesschau gucken, dann fällt mir das auf, wie die „Mischung“ in Richtung really-bad-news gekippt ist.

Und wenn du es schaffst, diese Themen einzeln zu begreifen, zu sortieren und eine Haltung dazu zu finden, ist da immer noch die ganz große Klimakrise. Am 17. November 2023 passiert es dann auch: Die Temperatur der Erde insgesamt liegt an diesem Tag volle 2 Grad Celsius über der des vorindustriellen Zeitalters. Kriege machen mich traurig, manchmal wütend. Die Fakten rund um den Klimawandel machen mich vor dem Hintergrund der Ergebnisse von COP 28 und Debatten wie der um das Heizungsgesetz hilflos, apathisch.

Auch das ist 2023. Psychisch gesund bleiben, das beobachte ich bei mir selbst, das erlebe ich in meinem Umfeld, das ist unter diesen Umständen eine Herausforderung. Meine Reaktion darauf: Routinen.

McArthur's Universal Corrective Map of the World. Ausstelllung: "Wer wir sind", Bundeskunsthalle, Bonn, 2023.
McArthur’s Universal Corrective Map of the World. Ausstelllung: „Wer wir sind“, Bundeskunsthalle, Bonn, 2023.

Viel schlafen (hat manchmal funktioniert) Spazieren gehen (morgens, vor der Arbeit), das hat gut funktioniert). Und Schwimmen (fast zweimal die Woche). Gerade das Schwimmen: Mein persönlicher gamechanger 2023.

Die dritte Hand: Ein Kraulschwimmkurs und hunderte Erkenntnisse

Zwölf Bahnen am Stück, dann zweimal sechs in verschiedenen Geschwindigkeiten und Intensitäten. Das ist meine Kraulroutine, mindestens einmal, manchmal zweimal pro Woche. Wer wie ich, das Kraulschwimmen jenseits der 40 lernt, hat Technikbaustellen. Kannst du natürlich beheben mit nem Kurs. Kraultechnich für Fortgeschrittene. Sonntags, 10 Uhr. Zweimal melde ich mich fast an. Doch immer wieder ist da die Angst vor der Konfrontation. Vielleicht mache ich mehr falsch als gedacht. Vielleicht kann ich meine Muster nicht mehr verändern. Vielleicht verändere ich ein schädliches Muster und verliere dabei auch nützliche. Und vielleicht sind alle anderen schneller als du.

Ich zögere so lange, bis der Kus voll ist. Warteliste.

Doch dann komme ich noch mit rein. In eine ganz nette Gruppe. Die Trainer:innen erklären gut, sie arbeiten mit uns an Technik, Koordination, Kondition. Alle zusammen und jede und jeder einzelne erlebt Fortschritte. Beispiel Wasserlage: Wir lernen uns beim Kraulen zu drehen. Die Schulter der Hand, die sich nach vorne bewegt, neigt sich nach unten. Durch die Streckung verbessert sich die Wasserlage, die Hand reicht – fast eine Handlänge – weiter nach vorne. Dadurch wird der Armzug länger, der Ablauf ruhiger, das Schwimmen effektiver.

Schwimmtraining mit Kate, SSF Bonn
Geniales Training inklusive wundervollem Akzent: Schwimmcoach Kate.

Lernen, üben, vertiefen: Was sich beim Storytelling so sehr im Kopf abspielt, darf ich hier körperlich umsetzen. In beiden Fällen geht es immer um den Prozess.

Lernen und wachsen darf Spaß machen. Scheitern ist weniger schlimm, wenn ich mir im Alltag immer mal wieder etwas vornehme, was ich nicht kann, etwas ausprobiere, bei dem der fail wahrscheinlich ist.

11-KM hat mittlerweile eine treue Fanbase. Die Zahlen entwickeln sich gut. Workshop-Konzeption braucht immer noch viel Zeit und aufgeregt bin ich auch noch. Aber beides ist nicht mehr ganz so schlimm, wie noch zu Jahresanfang. Die 100 Meter schaff ich in unter zwei Minuten und wenn etwas nicht klappt, wundere ich mich manchmal, dass ich vorher gar nicht ans Scheitern gedacht habe.

Und so schließt sich der Bagel 2023. Trotz vieler Krisen da draußen, privat-persönlich war es ein ganz rundes Jahr.

Was 2023 sonst noch los war

Familie am Elbstrand Hamburg, im Hintergrund Hafenkräne
Winterlicher Familienausflug zum Elbstrand

Segeljolle auf dem Weg nach Sloten, Ijsselmeer, Niederlande
Mit der Segeljolle auf dem Weg nach Sloten, Ijsselmeer, Niederlande
Ylvi im Tragetuch mit Stephan
August: Ylvi im Tragetuch mit Stephan. Dezember: Die beiden sind jetzt miteinander verpatet.
Stephan und Tobi am Alten Zoll, Rhein bei Bonn
Trainer-Peer/Freund: Mit Tobi am Alten Zoll, Rhein bei Bonn
Stadtführung Weimar mit Axel Steffek vor der Nationalversammlung
Stadtführung in Weimar: 90 min klug-unterhaltsame Geschichten zum Staunen und Weiterdenken mit dem großartigen Axel Steffek.

Klingelschild und Haustüre, Beuting, Goethestraße 18
Nach 50 Jahren zieht meine Ma aus. Unser Familienhaus wird verkauft. Ciao Goethestr. 18.

Meine Ziele für 2024

  • Die entscheidenden Fragen stellen: Berufliche Weiterbildung zum Coach. Die Fortbildung zum Trainer 2022 und 2023 war so intensiv und bereichernd, dass ich da gerne weitermachen möchte. Wo, das weiß ich nicht. Schwanke zwischen INEKO und ISB. Mal schauen.
  • Fachbücher lesen: Z.B. Fakten, Bilder, Töne: Story, von Gregor Alexander Heussen, das vielgelobte Umwelt-Fachbuch zum Thema Stickstoffproblematik „Globale Überdosis“, von Anne Preger und The Story-Paradox von Jonathan Gottschall. Untertitel: How our love of storytelling builds societies and tears them down.
  • Workshop+: Mehr Storyconsulting one o one und maßgeschneiderte Traininingskonzepte für Redaktionen entwickeln.
  • Mehr Freizeit auch außerhalb der regulären Urlaubszeit: Mal ein freier Vor- oder Nachmittag, öfter halbe Tage arbeiten.
  • Schwimmtraining für bessere Kraultechnik: Am Ende der letzten Session redeten wir noch in kleiner Gruppe und haben uns fürs nächste Jahr verabredet. Lage, Streckung, Wassergreifen, Rollwende, Beinschlag. es gibt noch viel zu tun. 🙂
  • Nach dem Jahresrückblick ist vor dem Jahresrückblick. Life is a ride, and a Bagel as well. Also schon ab März mal überlegen, was für den nächsten Rückblick lohnt.
  • Bei allem Ziele-Setzen: Gelassen bleiben. Vielleicht wird das ein oder andere nicht funktionieren. Dann kurz reflektieren, und einfach neu entscheiden: fallen lassen oder feinjustieren und weiterverfolgen.
  • Weitermachen mit meiner Routine „Morgenspaziergang-Römerkran“ und viele Sonnenaufgänge erleben.
Sonnenaufgang am Bonner Rheinufer, Blick aufs Siebengebirge
Sonnenaufgang am Bonner Rheinufer, Blick aufs Siebengebirge