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Verpasste Momente und das How to „Relevanz“
Und so rausche ich am Anfang, als das mit dem Journalismus für mich losgeht, durch Gespräche, durch Situationen und Reportagetermine, und bin mir zwar nie ganz klar, wo mein Fokus liegen sollte aber im Rückblick oft sicher: das Wichtigste hast du verpasst. Status: Oh-No!
Vorher schon zu wissen, was hinterher wichtig sein wird, das wär’s.
Der Claim des Deutschlandfunks lautet: Alles von Relevanz. Aber wie erkenne ich die? Im besten Fall kurz bevor sie sich zeigt, um dann Aufnahmegerät und Fokus auch scharf zu haben!
Als das für mich mit dem Journalismus losgeht, redet niemand über dieses how-to-relevanz. Diejenigen die es können, die können es halt. Die, die es lernen wollen, wissen vor allem, was sie nicht tun sollen. Viele Rezepte, die vielleicht das Scheitern verhindern aber nicht erklären, wie dichte Geschichten und echtes Staunen entsteht.
Bitte Prinzipien
Die Angst des Reporters, das Momentum, die eigentliche Geschichte zu verfehlen, die kenne ich lange bevor mir jemand erklärt, was FOMO heißt.
Was tun? Umhören!
In“Hello” versuchen die Macher von Radiolab herauszufinden, ob wir mit Delphinen sprechen können. Und ob wir Menschen da in der Natur etwa einen Partner im Geiste gefunden haben. In “129 Cars” zeigen die Radioreporter:innen von This American Life, wie eine Kombination aus Provisions- und Rabattsystem Autoverkäufer in den USA unter Stress setzt und entlarvt, auf welch kapitalistisch-wahnsinnige Weise, unsere Welt durchdreht. Im Podcast Serial bin ich an der Seite von Sarah Koenig, wenn sie einen Prozess hinterfragt, in dem der Teenager Adnan Sayed dazu veruteilt worden ist, seine damalige Freundin Hae Min Lee ermordet zu haben. Jahre später wird der der Prozess neu aufgerollt, die Anklagepunkte fallen und Adnan Seyed freigelassen.
Diese Geschichten klingen fantastisch, weil sie gefühlt in dem Moment entstehen, in denen ich sie höre.
Statt das Ergebnis zu präsentieren, zeigen sie den Weg dahin.
Ungeteilte Aufmerksamkeit für den Prozess.
Statt nur zu antworten, beginnen echte Geschichten mit Fragen, die Rätsel und Hindernisse werden auch meine.
Warum klingt das bei uns nicht so und wie kann ich das lernen?
2017 gewinne ich gemeinsam mit Sven Preger den deutschen Sozialpreis in der Kategorie Hörfunk, unsere Serie “Der Anhalter” folgt damals prinzipiell und strukturell diesen amerikanischen Vorbildern.
Erzählhaltung, Erzählperspektive, Erzählsatz, Plot und Aktstruktur, Steigerungen und Twists, das zu kennen, habe ich in den letzten Jahren gemerkt, heißt noch lange nicht, es auf Abruf zu können. Das Wachsen an dieser Herausforderung macht zum Glück richtig viel Spaß.
Es nicht zu probieren ist auch keine Lösung
Aufmerksamkeit ist dann teilbar, wenn uns eine Geschichte miteinander verbindet. Um die Geschichte zu erzählen gilt es, ihre Prinzipien und Techniken zu verstehen und anzuwenden. Von Mal zu mal erlebe ich weniger einsame Reporter-Oh-Nos und mehr und mehr gemeinsame Story-Ahas.
Stories finden vor allem dann ihre Form, wenn Menschen zusammenkommen und sie gemeinsam entwickeln. Als Journalist gelingt das zusammen mit Gesprächspartner:innen und Protagonost:innen. Als Trainer in Workshops, mit Übungen, Inputs und Reflexionen.
Geschichten sind kleine Bausätze für Herz und Verstand, die wir im Moment des Zuhörens fertig basteln dürfen.
Um diese Bausätze vorzubereiten, brauchen wir narratives Handwerkszeug und die Fähigkeiten, damit zu arbeiten: „Story-Craft“, wie Jack Hart das nennt.
Zuhören und analysieren. Potenziale entdecken, Prinzipien und Techniken kennenlernen, anwenden. Dabei den persönlichen Stand und die eigenen Ziele reflektieren. So entstehen Lernreisen[1], auf denen sich niemand vorm Scheitern fürchten braucht und jede und jeder auf die eigene Weise wachsen darf. Diese Lernreisen werden, wenn wir die Aufmerksamkeit darauf lenken, selbst zu spannenden und relevanten Stories.
[1] Siehe Carol Dweck https://www.youtube.com/watch?v=hiiEeMN7vbQ